Ältere Beschäftigte bilden eine eingeschworene Gemeinschaft gegen die Digitalisierung, weigern sich digital mitzuziehen? Keineswegs! Ältere und digitale Technologien haben das Potenzial zum Dreamteam - und das macht die älteren Arbeitnehmer*innen auch für die Gestaltung des demografischen Wandels noch interessanter: „Unsere Gesellschaft wird nicht nur immer älter, sondern auch immer digitaler. Wir brauchen die Älteren unbedingt, müssen sie länger im Arbeitsprozess halten, damit wir den demografischen Wandel meistern können. Sie müssen motiviert werden, Lust haben und bereit sein, länger zu arbeiten“, erklärt Sebastian Harrer, Honorarprofessor an der CBS International Business School und Vorstandsmitglied von Das Demographie Netzwerk e.V. in Berlin. „Umso besser, wenn sie zudem mehr als gedacht die Anforderungen der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt erfüllen, digital interessiert und fähig sind.“
Dass das Stereotyp der technikskeptischen Älteren nicht stimmt und ältere Arbeitskräfte stattdessen eine erhebliche Ressource für die digitale Transformation darstellen, bestätigen mehrere jüngere Studien. „Es ist inzwischen klar, dass der Zusammenhang von Alter und Digitalisierung keineswegs vor allem negativ ist. Viel mehr als das Alter entscheidet nämlich die Erfahrung mit digitalen Technologien darüber, wie wohl oder unwohl sich der einzelne mit der Anwendung digitaler Tools fühlt“, so Harrer. „Wer positive Erfahrungen mit digitalen Technologien gemacht hat, hört auch im Alter nicht einfach auf, sich für IT und Innovationen zu interessieren. Er nimmt neue digitale Entwicklungen und Veränderungen an, ist interessiert, lernt weiter wie die Jüngeren, baut keine Widerstände auf“, räumt der Experte, der zu dem Thema intensiv geforscht hat, mit Vorurteilen auf. „Ältere sind unterm Strich nicht weniger digital motiviert als Jüngere.“
ddn-Geschäftsführerin Martina Schmeink freut sich über solche Studienergebnisse: „Altersdiversität ist eine der wichtigsten Stellschrauben, um den demografischen Wandel zu gestalten. Auch die Bundesregierung legt der Wirtschaft die Zielgruppe der älteren Beschäftigten aktuell mehr denn je ans Herz, will die Weiterbeschäftigung nach der Rente mit Maßnahmen wie neuen Befristungsregeln oder Prämien erleichtern.“ Schmeink ergänzt: „Die Bedeutung der älteren Arbeitnehmer*innen steigt dabei noch, je qualifizierter sie auch für die digitalen Herausforderungen sind. Denn der Arbeitsmarkt braucht nicht nur mehr Arbeitskräfte, sondern vor allem auch mehr passgenaue - etwa digitale affine - Arbeitskräfte.“
Im Arbeitsalltag werden die digitalen Fähigkeiten älterer Mitarbeitender aber häufig noch ignoriert. „Stattdessen setzt sich eben das Stereotyp durch, dass ältere Arbeitnehmer die digitalen Veränderungen nicht mitgehen wollen. So werden Ältere bei der Besetzung technikaffiner Rollen übersehen und diskriminiert“, weiß Harrer. Doch dagegen lässt sich angehen. Wichtig seien sensibilisierte Führungskräfte, die die Digitalisierung leben und fördern, ihren Mitarbeitenden deren Nutzen erklären, sie motivieren und befähigen - und dabei nicht ausschließlich auf die Jüngeren schauen, sondern speziell auch die Älteren in den Blick nehmen. Zudem ist das Verständnis wichtig, dass digitale Kompetenzen nicht nur darin bestehen, digitale Systeme bedienen zu können, sondern weit darüber hinausgehen. Und dass sich in diesem Sinne die tatsächlich oft altersbedingt unterschiedlichen Herangehensweisen von Mitarbeitenden gut ergänzen können. Denn während die Jüngeren sich durch tiefere technologische Einblicke und eine höherer Explorationslust auszeichnen, fixer in der digitalen Informationsfindung sind und den digitalen Komfort ganz selbstverständlich annehmen - setzen Ältere digitale Techniken eher zielgerichtet, strukturiert und in gesundem Maß ein. Zudem bringen sie firmenspezifisches Wissen und eine über Jahre aufgebaute Wissenstiefe mit, sind im Betrieb gut vernetzt. Harrer: „Zusammen ergeben sich daraus neue, erweiterte Impulse und Möglichkeiten für die individuelle Digitalisierung von Betrieben.“ Als organisatorisch sinnvoll erweisen sich altersgemischte Teams. In ihnen fließen die Qualitäten und Fähigkeiten aller Altersgruppen kongenial zusammen. In den Teams müsse die Devise lauten, dass die Jüngeren auf der einen und die Älteren auf der anderen Seite ihre jeweiligen Herangehensweisen respektieren und voneinander lernen. „Und in gemischten Teams lassen sich in Kombination mit Weiterbildungen auch diejenigen Älteren leichter motivieren, mitnehmen und fördern, die bislang eher weniger digital affin sind.“
Der Experte fasst zusammen: „Der demografische Wandel und die digitale Transformation gehören zu den größten Herausforderungen der Wirtschaft. Die Zielgruppe Ältere bietet doppeltes Potenzial und hilft, beiden Herausforderungen zugleich zu begegnen. Unternehmen, die es schaffen, eine altersdiverse Kultur zu etablieren, werden nicht nur den demografischen Wandel besser stemmen, sondern auch in der digitalen Transformation erfolgskritische Vorteile erzielen. Also: Blick erweitern, Stereotype durchbrechen, Ältere und ihre Fähigkeiten erkennen, sie weiterbilden und so doppelt Potenziale heben.“
Veranstaltungshinweis: Wie sich in der Betriebspraxis produktive Bündnisse aus älteren und jüngeren Mitarbeitenden schmieden, Vorurteile abbauen und in alterddiversen Teams gemeinsam Ziele erreichen lassen, das ist auch das Thema der Digital-Konferenz Change Maker 50+. Sie findet unter dem Motto „Festival der Generationen“ am 17. Oktober von 10 bis 17 Uhr statt. Die kostenfreie, von ddn Hamburg organisierte Veranstaltung umfasst Panels, Impulse, Praxisbeispiele und Workshops rund um neue Altersbilder und Age Diversity in der Arbeits- und Lebenswelt. Hier geht’s zur Anmeldung: https://demographie-netzwerk.de/termine/t/9719
Über Das Demographie Netzwerk e.V. (ddn): Das Demographie Netzwerk e. V. (ddn) ist ein gemeinnütziges Netzwerk von Unternehmen und Institutionen, die den demografischen Wandel als Chance begreifen und aktiv gestalten wollen. ddn wurde 2006 auf Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und im Kontext der Initiative neue Qualität der Arbeit (INQA) gegründet. Die Mitglieder engagieren sich mit dem Anspruch „gemeinsam Wirken“ und in kollaborativer Zusammenarbeit. In regionalen und überregionalen Foren, in digitalen und persönlichen Treffen bearbeitet das Netzwerk Themen wie Qualifizierung, Digitalisierung, Führung und Diversity. ddn initiiert, leitet und unterstützt Förder- und Forschungsprojekte zu seinen Themen. Seit 2020 verleiht ddn den Deutschen Demografie Preis ddp.
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