Interview | Teil 01: Zukunft für den Mittelstand

11.08.21 | Interview - Teil 01: Zu den Ergebnissen des Mittelstandskompasses, insbesondere zu den Herausforderungen Demografie und Fachkräftemangel, haben wir mit ETL-Vorstand Marc Müller gesprochen. Im ersten Teil geht es um die Studie selbst und die Herausforderung der Demografie.

Wie sind kleine und mittelständische Unternehmen für die Zukunft nach der Krise aufgestellt? Antworten gibt der erste Mittelstandskompass von Deutschlands führender Steuerberatungsgruppe ETL in Kooperation mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln), der im Mai 2021 veröffentlicht wurde. Zu den Ergebnissen der Studie, insbesondere zu den Herausforderungen Demografie und Fachkräftemangel, haben wir mit ETL-Vorstand Marc Müller gesprochen. Im ersten Teil geht es um die Studie selbst und die Herausforderung der Demografie.

Zur Person

Marc Müller

Marc Müller ist Mitglied des Vorstands der ETL AG – Deutschlands größter Steuerberatungsgruppe, die als „Hidden Champion“ hinter den Big4 in der Branche gilt. Müller treibt für die bundesweit 870 Standorte und weltweit 250 Büros die Beratung von kleinen und mittelständischen Unternehmen voran.

Warum haben Sie den „ETL Mittelstandskompass“ durchgeführt?

Nach Überwindung der Pandemie wird der Mittelstand vor alten wie neuen Herausforderungen stehen. Megathemen wie die digitale Revolution, der Fachkräftemangel, der demografische Wandel, der Klimaschutz sowie der internationale Wettbewerb, insbesondere mit Blick auf China, fordern den deutschen Mittelstand in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts heraus. Wir wollten wissen, wie es aktuell um den deutschen Mittelstand steht und wie er auf diese Herausforderungen vorbereitet ist. Denn als Partner und Berater für kleine und mittelständische Unternehmen ist die Zukunft des Mittelstands von besonderer Bedeutung für die ETL-Gruppe. Mit dem ETL Mittelstandskompass 2021 in Kooperation mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln haben wir eine in seiner thematischen Bandbreite einzigartige Studie veröffentlicht, die den Unternehmen einen Weg aufzeigt, sich auf die ökonomischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen nach der Pandemie einzustellen und die digitale Transformation als Chance und Katalysator zu nutzen.

Können Sie die Ergebnisse kurz zusammenfassen?

Die Studienergebnisse zeigen deutlich: Die zentralen Herausforderungen für den Mittelstand sind und bleiben die Ausbildung und Rekrutierung von Fachkräften, die Entwicklung digitaler Produktions- und Geschäftsmodelle sowie Risiken und Chancen durch den Klimaschutz. Deutlich wurde auch, dass Unternehmen schneller auf Veränderungen reagieren müssen.

„Ein robustes Unternehmen wird sich nicht durch starre Strukturen, sondern im Gegenteil durch Anpassungsfähigkeit, flexible Arbeitsweisen, aber auch einen modularen Aufbau von Produktion und Dienstleistungen auszeichnen.“

Marc Müller

Dies erfordert in vielen Fällen eine Reorganisation der Lieferketten, die Reintegration von Produktionsstufen in die Unternehmen, sowie die Anpassung Wertschöpfungsketten. Durch den eigens entwickelten ETL Erfolgsindex, der auf einem systematischen Vergleich erfolgreicher mit weniger erfolgreichen Unternehmen beruht, lässt sich nachweisen, dass die Zukunftstrends wie Digitalisierung und Klimaschutz nicht nur Herausforderungen, sondern auch immense Chancen für die nächsten Jahre mit sich bringen. Mit Innovationen, Lernbereitschaft und dem Mut zum Handeln eröffnet sich deshalb die Möglichkeit und das große Potenzial, sich frühzeitig auf dem internationalen Markt mit innovativen Technologien und Produkten zu positionieren.

Inwieweit ist die Demografie und der damit verbundene Fachkräftemangel die größte Herausforderung für die Unternehmen?

Der demografische Wandel stellt eine der größten Herausforderungen der Personalarbeit der Zukunft dar. Seine Folgen sind bereits heute in Form von schiefen Altersstrukturen, Fachkräftemangel und Rekrutierungsproblemen in vielen Unternehmen spürbar. Dabei sind qualifizierte und motivierte Mitarbeiter ein zentraler Faktor für den Unternehmenserfolg, deren Ausbleiben einen beträchtlichen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben kann. Dies spiegelt sich in den Ergebnissen von mehreren IW-Studien wider, wonach in Deutschland aktuell circa 440.000 qualifizierte Arbeitskräfte fehlen. Dadurch konnten wirtschaftliche Leistungen in Höhe von rund 30 Milliarden Euro nicht generiert werden. Mit dem sogenannten „War of talents“ wächst mehr denn je die Notwendigkeit einer vorausschauenden und strategischen Personalarbeit, insbesondere auch für kleine- und mittelständische Unternehmen. Dies stellt neue Ansprüche an Personalabteilungen. Unternehmen sind zum Umdenken aufgefordert und müssen kreative Maßnahmen ergreifen, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben zu können.

Haben Sie Lösungen für die Herausforderungen Demografie, die auf den Mittelstand/kleine und mittlere Unternehmen warten?

Lösungen für den Fachkräftemangel zu finden besitzt derzeit die größte Dringlichkeit. Laut ETL-Index geben Führungskräfte des deutschen Mittelstands auf einer Indexskala von 0 bis 100 der Sicherung von Fachkräften im Durchschnitt einen Stellenwert von 68 Punkten, Unternehmen ab 50 Mitarbeitern sogar 86 Punkte. Für die Bewerber wiederum ist der Bekanntheitsgrad, die Größe, der Standort und selbst der Erfolg eines Unternehmens offenbar nicht ausschlaggebend. Ohne vorausschauende und strategische Personalarbeit ist der Bedarf an Fachkräften nicht zu decken. Der Mittelstand muss in die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter, in Angebote für agiles Arbeiten sowie in kreative Rekrutierungsmaßnahmen deutlich mehr investieren. Ein Schlüssel in der zukünftigen Bindung von Fachkräften kann in der Digitalisierung liegen: Unternehmen, denen es zum Beispiel gelingt, die eigene Belegschaft gezielt mittels digitaler Tools weiterzubilden, könnten künftig weniger stark von Fachkräfteengpässen betroffen sein.

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