WECHSELWEISE: Ali Can fragt Christine Epler

Im Rahmen der Interviewreihe "WECHSELWEISE" sprechen Ali Can und Christine Epler über ein Thema, das leider nach wie vor aktuell ist: Rassismus in der Arbeitswelt. Ali Can ist ein bekannter Aktivist und Autor, der sich seit vielen Jahren gegen Rassismus und Diskriminierung engagiert. Christine Epler ist eine erfahrene Beraterin, die die Deutsche Bahn in Fragen der Diversität und Inklusion berät.

Ali: Was bedeutet Diversity für dich?

Christine: Für mich ist Vielfalt ganz klar eine Frage der Haltung aber auch des Erfolgs.

In erster Linie beziehen wir mit Diversity klar Position und zeigen Haltung- gegen Rassismus und jegliche Art von Diskriminierung.
Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels auf dem Arbeitsmarkt und des demografischen Wandels hilft uns Vielfalt in der Personalgewinnung neue Potenziale zu erschließen.Intern betrachtet sind wir von der Belegschaft her ein Spiegelbild der Gesellschaft, das heißt, je mehr Perspektiven wir haben, desto besser können wir die vielseitigen Bedürfnisse der Kund:innen nachvollziehen und unsere Produkte und Dienstleistungen ausrichten.

Wichtig ist, dass wir unter Vielfalt nicht nur die klassischen Dimensionen verstehen wie - geschlechtliche Identitäten, Generationen, Religionen, soziale und ethnische Herkünfte, sexuelle Orientierungen, physische und psychische Fähigkeiten – sondern auch die Vielfalt der Perspektiven, Werte und Kompetenzen. Diese Vielseitigkeit macht uns anders und mit dieser Vielfalt wollen wir wertschätzend, souverän und selbstbewusst umgehen, denn diese Vielfalt ist auch ein einzigartiges und zentrales Element unserer Innovationskraft und unseres Erfolgs – Das ist auch das Bekenntnis unserer Initiative „Einziganders“.

Ali: Was fasziniert dich persönlich am Thema Diversity & Inclusion? Wie war dein persönlicher Weg zu deinem aktuellen Arbeitsfeld?

Christine: Warum wir Diversity brauchen, wird heutzutage erfreulicherweise seltener hinterfragt. Von der Gesellschaft und in vielen Unternehmensbereichen wird Vielfalt vermehrt akzeptiert und durch verschiedenste Maßnahmen wird Stellung bezogen. Doch im Laufe der Jahre gab es auch immer wieder Rückschläge im Bereich Diversity und für mich persönlich war es wichtig, Haltung zu zeigen und die Fahne hochzuhalten - für Gerechtigkeit. Denn Diversity wandelt sich zu einer Frage der Gerechtigkeit und Zugehörigkeit. Und wir schaffen das Fundament für Diversity, damit Mitarbeitende sich einer Gruppe zugehörig fühlen, denn darum geht es: Mitarbeitende fühlen sich „einziganders“, wenn sie unter Kolleg:innen so sein können, wie sie einfach sind – das gibt Menschen ein Wohlgefühl und führt dazu, dass sie sich mit ihren Stärken und Kompetenzen entfalten können. Dies wiederum entfacht Vertrauen, Angstfreiheit und ist die Grundlage für Kreativität, Leistung und Gestaltung.

Ali: Welche Erfolge konntest du seit deiner Tätigkeit als Head of HR-Strategy, Innovation & Diversity bei der Deutschen Bahn bereits erzielen und welche Herausforderungen bestehen noch? Wo hattest du das Gefühl "Da habe ich Beitrag zu Diversity geleistet"?

Christine: Ein wichtiger Meilenstein und Turning Point für die Vielfalt der Deutschen Bahn ist die Verankerung von Diversity in der Konzernstrategie „Starke Schiene“, die 2019 beschlossen wurde und dem Thema Rückenwind gibt. Seitdem wird Diversity als Querschnittsthema in allen Produkten und Prozessen mitgedacht. Dabei erfährt das Thema einerseits Beachtung durch den Konzernvorstand aber wird andererseits auch durch die aktiven Mitarbeitendenetzwerken gestaltet.

Ein Erfolg, den ich herausheben möchte, ist z.B. das Ziel „30% Frauen in Führung“ bis 2024. Dieses Ziel haben das Netzwerk „Frauen bei der Bahn“ und der Konzernvorstand 2019 verabschiedet. Damals lag der Anteil bei 20%, dieses Jahr im März konnten wir einen Anteil von 27% erzielen. Hinzu kommt, dass wir im März mit dem ersten Platz beim FrauenKarriere-Index (FKI) zum familienfreundlichsten Unternehmen ausgezeichnet wurden und das höchste Ergebnis seit Bestehen des FKIs erzielt. Solche Fortschritte und Ergebnisse sind eine tolle Bestätigung für unsere bisherigen Aktivitäten und Anstrengungen für mehr Diversität und eine großartige Anerkennung für das gesamte Team der DB.

Man merkt: wir sind auf gutem Weg und wir wollen auch weiterhin kontinuierlich am Ball bleiben und andere Bereiche der Diversity-Dimensionen wie z.B. Inklusion ausbauen, indem wir chancengerechte Arbeitsfelder schaffen und sichtbare sowie unsichtbare Barrieren beseitigen. Denn unser langfristiges Ziel ist die gleichberechtigte Teilhabe.

Ali: Wonach wählt DB Diversity Trainings aus? Gibt es Qualitätskriterien und wie wirken die Trainings nachhaltig?

Christine: Jedes Jahr veranstalten wir konzernweit eine Diversity-Woche, bei der wir mit einem vielseitigen Angebot an Workshops, Online-Vorträgen und Impulsen für eine Vielfalt und eine Kultur der Chancengleichheit werben. Darüber hinaus informieren wir mit verschiedenen Medien wie z.B. mit Podcasts „Darf ich das?“ oder Leitfäden („Atlas der Vielfalt“ oder „Leitfaden der Transition“) über Diversity bei DB und sensibilisieren die Mitarbeitenden für einen wertschätzenden Umgang miteinander.

Ali: Als Head of HR-Strategy, Innovation & Diversity bei der Deutschen Bahn, was waren die größten Herausforderungen, die du bisher im Bereich Diversity und Inklusion bewältigen musstest?

Christine: Ich denke die Kunst und auch Herausforderung liegt darin, das Thema Vielfalt nicht punktuell, sondern langfristig und nachhaltig zu denken und gemeinsam zu gestalten. Um dies zu ermöglichen, werden Diversity-Ziele gemeinsam mit den Mitarbeitendennetzwerken definiert und durch das Diversity Management und die Netzwerke aktiv durch Maßnahmen umgesetzt. Die Ergebnisse und Fortschritte werden schließlich vom Konzernvorstand vierteljährlich überprüft. So stellen wir sicher, dass einerseits gemeinsam gestaltet wird aber andererseits durch die Überprüfung geschaut wird, dass die Maßnahmen Wirkung entfalten. Neben der Zielsetzung sehe ich die Kommunikation als ebenfalls elementär an, da es wichtig ist, dass wir darüber sprechen, warum die Ziele wichtig sind und auch Raum zu lassen um Ängste aussprechen.

Ali: Wie geht die Deutsche Bahn mit Diskriminierung und insbesondere rassistischen Vorfällen um und welche präventiven Maßnahmen werden ergriffen, um diese in der Arbeitsumgebung zu minimieren?

Christine: Wir dulden keine Diskriminierung jeglicher Form und dazu gehört auch Rassismus.

Letztes Jahr hatten wir den Fall, dass einer Schulamtsrektorin, einer People of Color, auf ihrer Fahrt im ICE ungefragt der Weg in die zweite Klasse verwiesen wurde. Der Vorfall hat uns dazu bewegt, intern das Thema Diskriminierung und unbewusste Vorurteile in unserem sozialen Netzwerk aufzugreifen, das Thema transparent zu machen und Diskussionen anzustoßen. Wir wollten die Mitarbeitenden für das Thema Vielfalt sensibilisieren und klar signalisieren, dass es bei der DB null Toleranz für Diskriminierungen jeglicher Form gibt. Dabei haben wir auf verschiedene interne Maßnahmen und Angebote in Form von Schulungen, Trainings und Seminare aufgezeigt, die aufklären und sich mit Möglichkeiten zum Umgang auseinandersetzen. Mit der Rektorin haben wir uns zusammengesetzt und offen, transparent und konstruktiv über den Vorfall gesprochen, um das Problem zu verarbeiten.

Ali: Inwiefern sind Diversität und Chancengleichheit ein integraler Bestandteil der Unternehmenskultur und der Personalpolitik bei der Deutschen Bahn?

Christine: Das Thema Vielfalt ist bei uns seit 2019 in der Konzernstrategie verankert und wird seitdem als Querschnittsthema in allen Produkten und Prozessen mitgedacht. Dabei besteht die Strategie aus zwei Ansätzen: Einerseits steht Diversity durch die Verankerung in der Dachstrategie ganz oben auf der Agenda des Personalvorstands Martin Seiler und in den Handlungsschwerpunkten. Zudem hat jedes Vorstandsmitglied eine Pat:innenschaft für eine Diversity-Dimension, was dem Thema zusätzlich Sichtbarkeit und Rückenwind gibt. In diese Top-Down Strategie greift der Bottom-Up Ansatz hinein. Darunter fallen die aktiven Mitarbeitendennetzwerke, beispielsweise das LGBTIQNetzwerk „Railbow“, das Netzwerk „Frauen bei der Bahn“ und „DB Cultures“ – das Netzwerk für kulturelle Vielfalt. Zudem haben wir Diversity-Verantwortliche in allen Geschäftsfeldern und HR-Funktionen. Durch den beidseitigen Ansatz stellen wir sicher, dass alle Kolleg:innen, sowohl Vorstand als auch alle anderen Mitarbeitenden, bei Maßnahmen sich partizipieren, gestalten und mitentscheiden können.

Letztlich bedeutet Vielfalt auszuleben eine Kultur der Chancengleichheit, des wertschätzenden und öffnenden Engagements, des Vertrauens und Respekts zu schaffen – und um diesen Wandel langfristig und nachhaltig zu vollziehen, braucht es seine Zeit. Die Initiativen, Maßnahmen und Strategien dürfen dabei nicht punktuell sein und damit enden, dass man einmal Regenbogenfahne hisst. Die Maßnahmen müssen auf lange Sicht ausgerichtet sein und auf dem Weg zur Chancengleichheit geht es nicht immer nur vorwärts, sondern auch mal einen Schritt zurück. Das Wichtige hierbei ist, dass man stetig am Ball bleibt, Haltung bewahrt und sich kontinuierlich weiter engagiert.

Ali: Gibt es spezielle Programme oder Initiativen, die darauf abzielen, ethnische Minderheiten und andere benachteiligte Gruppen im Unternehmen zu fördern? Anders gefragt: Wie stellt die Deutsche Bahn sicher, dass sie ihre Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Kulturen und Hintergründen nicht nur einstellt, sondern auch langfristig bindet und fördert?

Christine: Generell spielt die langfristige Bindung der Mitarbeitenden im Hinblick auf den umkämpften Arbeitsmarkt eine essenzielle Rolle. Uns ist es wichtig zu erfahren, welche Bedürfnisse und Werte den Bewerbenden sowie den bestehenden Mitarbeitenden von Bedeutung sind. Mit positiven Mitarbeitenerlebnissen, die sich durch zuvorkommende Arbeitsbedingungen, Initiativen, Maßnahmen und geteilten Werten zeigen, möchten wir auf das „Bindungskonto“ der Kolleg:innen einzahlen und so das Gefühl der Zugehörigkeit zu stärken. Für Mitarbeitende mit Migrationshintergrund spielt das Verständnis und Akzeptanz der Kolleg:innen für ihre Kultur eine bedeutende Rolle. Um genau dieses Verständnis, die Toleranz und den Respekt für alle Kulturen zu stärken, gibt es bei der DB das konzernweite Netzwerk „DB Cultures“, das beispielsweise durch das Angebot von Language Lunches und Informationsveranstaltungen zur interkulturellen Zusammenarbeit den Aufbau von Sprachkompetenzen fördert.

Neben der Schaffung von Verständnis und dem Gefühl von Zugehörigkeit ist uns auch die Förderung und Qualifizierung von benachteiligten Gruppen wichtig. Hier ermöglichen wir mit Qualifizierungswegen wie „Chance plus“ und Umschulungen seit 2015 geflüchteten Menschen die Integration in den Arbeitsmarkt. Dabei bieten wir mit Hotline und Beratungszentren den geflüchteten Menschen aus der Ukraine persönliche Beratungen rund um den deutschen Arbeitsmarkt sowie vierwöchige Orientierungsprogramme an, die von zusätzlicher sozialpädagogischer Betreuung, Deutschunterricht und ehrenamtlichen Soziallots:innenprogrammen flankiert werden.

Damit leistet die DB einen erheblichen Beitrag zur Integration und Qualifikation geflüchteter Menschen. Bei der Integration von Mitarbeitenden mit Flucht- oder Migrationshintergrund wird die Deutsche Bahn vom Projekt „Soziale und kulturelle Integration“ (SUKI) unterstützt. Das Projektteam berät bei der Überwindung sozialer und kultureller Hürden und fördert den Zusammenhalt und die Integration innerhalb der DB.

Ali: Wie sehen deine Pläne und Visionen für die Zukunft der Deutschen Bahn im Bereich Diversity und Chancengleichheit aus?

Christine: Wir haben uns ambitionierte Ziele im Bereich Diversity gesetzt, viele Fortschritte gemacht und tolle Ergebnisse erzielen können. Wir wollen uns nicht auf dem Erfolg ausruhen, sondern die noch offenen Baustellen angehen. Dieses Jahr dreht sich bei uns alles um das Thema „Inclusion and Belonging“. Um das Zugehörigkeitsgefühl und damit auch die Bindung zu den Mitarbeitenden zu stärken sowie eine vielfältige, inklusive und gleichberechtigte Arbeitskultur zu ermöglichen, werden wir nicht nur langfristige Strategien, nachhaltige Maßnahmen, sondern vor allem das Engagement aller Kolleg:innen brauchen. Und auf das gemeinsame Gestalten freue ich mich, denn als vielfältiges und buntes Team DB haben wir einen breiten Pool an unterschiedlichsten Ideen und Perspektiven, aus dem wir kreative Lösungsansätze sowie innovative Entwicklungen schaffen können!

WECHSELWEISE: Christine Epler fragt Ali Can

WECHSELWEISE: 2. Teil

Ali Can und Christine Epler sind sich einig, dass Rassismus in der Arbeitswelt ein großes Problem darstellt. Sie betonen jedoch auch, dass es Möglichkeiten gibt, dieses Problem anzugehen. Unternehmen müssen sich bewusst sein, dass Diversität und Inklusion nicht nur moralisch richtig, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sind.

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