„Rente gibt es für unsere Generation sowieso nicht“

Wenn man „Junge Menschen Rente“ in eine Suchmaschine eintippt, erhält man unter den Ergebnissen ein eindeutiges Stimmungsbild: Es sieht düster aus! Ökonom*innen und Generationenaktivist*innen mahnen gleichermaßen, dass die jüngeren Alterskohorten lange arbeiten müssen, um am Ende kaum Rente zu erhalten. Eine Erkundung.

Hält der Generationenvertrag? Junge Menschen sind besorgt

Was viele Menschen unter „Rente“ in Deutschland begreifen, bezieht sich hauptsächlich auf die umlagefinanzierte Rente. Die Idee hat über viele Jahrzehnte funktioniert: Junge Erwerbstätige finanzieren die Rentenzahlungen der Älteren. Man verlässt sich darauf, dass die Generationen Verantwortung füreinander übernehmen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat diese Dynamik gut funktioniert, denn auf einen Rentner kamen sechs Erwerbstätige. Wegen des demographischen Wandels hat sich dieses Verhältnis mittlerweile stark verändert: Heute finanzieren nur noch zwei Erwerbstätige die Rente einer Person.

Diese Dynamik spiegelt sich auch im Rentenniveau wider. Das Rentenniveau vor Steuern sinkt kontinuierlich seit den 1970er Jahren. Während es Mitte der Siebziger fast 60 Prozent erreichte, ist es mittlerweile auf 48 Prozent gesunken und die Prognosen vermuten ein weiteres Abfallen des Rentenniveaus.

Dies wissen auch junge Menschen. Laut einer INSA-Umfrage im Auftrag des Fondsanbieters Fidelity stimmt knapp über der Hälfte der Personen zwischen 18 und 39 Jahren der Aussage stark bzw. eher zu, dass ihre Generation „(wahrscheinlich) keine gesetzliche Rente erhalten“ wird. Eine weitere Umfrage bestätigt den Pessimismus. Das Meinungsforschungsinstitut GfK untersuchte die Haltung der 18- bis 32-Jährigen im Auftrag des Versicherers Generali. Der Umfrage zufolge sorgen sich zwei Drittel der jungen Menschen vor Altersarmut.
 

Politik weiß um Probleme – und sucht nach passenden Lösungsansätzen

Die Sorgen junger Menschen sind berechtigt. Bereits 2012 mahnte die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, dass die Rente für viele Menschen nicht reichen könnte. Sie rechnete vor, dass Menschen, die 35 Jahre lang eingezahlt haben und im Schnitt einen Bruttolohn von 2500 Euro erhielten, weniger als 700 Euro Rente erhalten würden.

Die aktuelle Regierungskoalition ringt um die richtigen Lösungen, um ein generationengerechtes und nachhaltiges Rentensystem zu etablieren. Arbeitsminister Hubertus Heil kündigte im April 2022 ein neues Rentenpaket an. Der Politiker sieht mehrere Säulen zur Sicherung des aktuellen Rentenniveaus. Zum einen wolle man in diesem Jahr beginnen, einen Kapitalstock zur Rentenfinanzierung aufzubauen. Dafür sollen zunächst zehn Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln in einen Fonds investiert werden, welcher dauerhaft verwaltet werden soll. Heil sieht zudem Weiterbildungen und eine höhere Frauenerwerbsquote als Schlüssel zur Vermeidung von Altersarmut. Die aktuelle Regierung hat im Koalitionsvertrag das Absinken des Rentenniveaus ausgeschlossen.

Ein Vorschlag, der immer wieder auftaucht, wird bisher vom Arbeitsministerium abgelehnt: Die Debatte um ein späteres Rentenalter wird von unterschiedlichen Seiten aufgegriffen. Die Idee, dass die heute junge Generation beispielsweise bis zum 70. Lebensjahr arbeiten muss, wird von Hubertus Heil abgelehnt – insbesondere mit dem Verweis auf die Folgen körperlich anstrengender Berufe.

Auch die Civey-Umfrage im Auftrag des Demographie Netzwerks aus dem vergangenen Jahr bestätigt, dass die Mehrheit nicht länger als bis zum 62. Lebensjahr arbeiten möchte. Die Hauptgründe: Stress und körperliche Belastung.


Junge Menschen legen häufiger Geld an

Die ungewissen Aussichten auf die Altersvorsorge könnten für einen Mentalitätswechsel unter jungen Menschen sorgen: Die Kapitalanlage wird zunehmend attraktiver. Allein zwischen 2017 und 2021 ist die Zahl der 18-29-jährigen Investor*innen von 900.000 auf 1,5 Millionen gestiegen. Mit neuen Apps wird das Investieren zunehmend leicht und zugänglich. Diese sogenannten „Neobroker“ bieten von ETF-Sparplänen bis hin zu Derivaten ein großes Angebot an Anlagemöglichkeiten an.

Die häufig geübte Kritik, dass das Anlegen über Apps eher kurzfristig und risikoreich ausgerichtet sein könnte, wehrt einer der größten Anbieter ,Trade Republic, ab. Das Berliner Unternehmen hat DIW Econ beauftragt, eine Untersuchung unter 200.000 Kund*innen durchzuführen. Das Ergebnis war klar: Mehr als zwei Drittel der Nutzer*innen sind jünger als 35 Jahren. 85 Prozent investieren in börsengehandelte Fonds (ETFs). 72 Prozent sagen, dass sie investieren, um ihre Altersvorsorge aufzustocken. 77 Prozent gaben an, Investitionen mangels Alternativen zum Sparen zu tätigen.

Was allerdings auffällt: Auch in den jungen Alterskohorten sind Frauen schlechter aufgestellt als Männer. 68 Prozent der jungen Frauen zwischen 18 und 32 fühlen sich schlecht über Möglichkeiten zur Altersvorsorge informiert – unter jungen Männern sehen dies nur 44 Prozent so. Auch in puncto Anlage sind Frauen zögerlicher. Beim Neobroker Trade Republic gibt es nur 20 Prozent Investorinnen.

Trotz der steigenden Sensibilität für das Thema ist Geldmangel der häufigste Grund, weshalb junge Menschen nicht für das Alter vorsorgen. Angesichts steigender Mieten in Ballungsräumen, niedrigen Einstiegslöhnen in manchen Branchen und der aktuellen Inflation, ist es nicht überraschend, dass das Geld für die Vorsorge nicht reicht. Umso mehr sind politische Lösungen notwendig, um diejenigen zu unterstützen, die die Zukunft Deutschlands gestalten werden.

Mehrheit will nicht länger als 62 arbeiten

Ergebnisse der Civey-Umfrage für ddn

Was denken die Bürgerinnen und Bürger über die Themen Rente und Alterssicherung? Das Demographie Netzwerk geht dieser Frage mit dem jährlichen ddn Index auf den Grund. Mit einer Online-Befragung und der wissenschaftlichen Expertise unseres Netzwerks werden die Einstellungen und Meinungen sichtbar.

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