Arbeitsmarkt-Expert*innen untersuchen Zusammenhang zwischen Klima- und Fachkräftepolitik

Der Fachkräftemangel stellt nach Ansicht von Arbeitsmarkt-Experten eine strategische Herausforderung für die ökologische Transformation von Unternehmen dar. Die Dekarbonisierung und nachhaltige Umgestaltung von Geschäftsmodellen und Prozessen erfordere in allen Funktionen erweiterte Kompetenzen. Der Arbeitsmarkt sei nicht in der Lage, diese kurzfristig bereitzustellen, weshalb Unternehmen selbst stärker in die Kompetenzentwicklung investieren müssten.

Dass der klimagerechte Umbau der Wirtschaft selbst ein Wachstumstreiber ist, hat erst kürzlich wieder eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) untersucht: Allein durch die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen würden ab dem Jahr 2025 jährlich 400.000 neue Arbeitskräfte notwendig. Viele davon mit Wissen und Kompetenzen, die heute schon Mangelware sind. 

Prof. Dr. Enzo Weber, Mitautor der IAB-Studie, sieht eine dauerhafte Knappheit an bestimmten Profilen, insbesondere mit technischem Know-how: „Die Maßnahmen der Klimapolitik erzeugen massiven Fachkräftebedarf, weshalb Fachkräftepolitik tatsächlich auch Klimapolitik ist.“ 

Dabei geht es in der Regel nicht um komplett neue Berufsbilder, sondern eher um eine Erweiterung und Neuausrichtung von Kompetenzen, wie Martina Schmeink vom Demographie Netzwerk e.V. ddn erklärt: „Wer technisches Grundlagenwissen hat, muss nicht alles neu lernen, sondern sich aneignen, vorhandenes Know-how auf neue Anwendungsfelder zu übertragen.“  Die zukünftig notwendigen Kompetenzen einfach am Arbeitsmarkt „einkaufen“ zu können, hält Schmeink für illusorisch. „Es gibt nicht ausreichend Ausbildungsgänge, es gibt nicht ausreichend Erfahrung in bestimmten Bereichen. Die Unternehmen müssen Veränderungen in ihrem Marktumfeld analysieren und die notwendigen Kompetenzen selbständig für ihre Beschäftigung entwickeln“, so Schmeink. 

Ein Beispiel dafür ist Airbus. Beim Betrieb von Flugzeugen soll in Zukunft Wasserstofftechnologie eingesetzt werden. Die Entwicklung stehe hier aber noch in einem Frühstadium, und für den Entwicklungsprozess selbst benötige man zusätzliche Kompetenzen bei den eigenen Beschäftigten, so Jens Gärtner, Manager Learning & Exploration Factory bei Airbus in Hamburg. Bei Airbus prüft man deshalb, die Erkenntnisse aus dem kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojekt NAWID, bei dem ddn die Konsortialführung innehatte, für die Kompetenzentwicklung bei der Wasserstofftechnologie zu nutzen. In NAWID wurde ein Pilot eines Assistenzsystems entwickelt, der basierend auf künstlicher Intelligenz das Lernen der Montage eines Klimarohrs unterstützt hat. Die Evaluation des Projektes hat gezeigt, dass durch das KI-basierte Tool Lernfortschritte und Lernzufriedenheit gesteigert wurden. Die neuen Formen des Lernens haben das Potential, in den nächsten Jahren den Kompetenzaufbau zu unterstützen.  

Als Perspektive für die nächsten Jahre stellt IAB-Forscher Enzo Weber in den Raum: „Es wird schon in naher Zukunft so kommen, dass wir neue Kompetenzen nicht nur bei ein paar Spezialisten benötigen, sondern in der Breite der Belegschaften.“