Ein Artikel von ddn Berlin-Brandenburg und ddn Hamburg
Achim Ciolek: Inklusion in der Arbeitswelt
Achim Ciolek, Geschäftsführer der Hamburger Arbeitsassistenz, eröffnete den Salon mit seiner Geschichte über die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt. Bundesweit gibt es heute ca. 320.000 Werkstätten für behinderte Menschen. Achim erzählte, wie er zufällig in dieses Arbeitsfeld geraten war, als alternative Karriere zum Lehramt. Dank der UN-Behindertenkonvention und dem Bundesteilhabegesetz sei die Diskussion über Inklusion in den letzten Jahren intensiver geworden, begleitet von deutlichen Fortschritten.
Achim betonte, dass Rehabilitation und Teilhabe am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen immer noch eine Herausforderung darstellen. Ein Beispiel hierfür ist Inge, die im Gastrobereich arbeitet, aber aufgrund ihrer Behinderung bisher keine Verkehrsmittel nutzen oder eine Uhr lesen konnte. Mit gezielter Unterstützung und im Kontext ihrer Arbeit lernte sie jedoch beides. Um derartige Lernerfolge zu ermöglichen, kooperiert die Hamburger Arbeitsassistenz eng mit Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Achim hob hervor, dass der Fokus nicht auf der "Reparatur" und vollen Erwerbsfähigkeit liegen sollte, sondern auf der Teilhabe. Er schlug vor, in diesem Zusammenhang den Begriff "Rehabilitation" durch "Ermutigung" zu ersetzen.
Uta hob in ihrer Moderation folgende Aspekte hervor: "Es gibt viel Potenzial in Unternehmen, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen. Gerade angesichts des Fachkräftemangels müssen wir diese Potenziale nutzen und Teilhabe ermöglichen." Um ein gutes Miteinander unterschiedlicher Menschen ging es auch in der nächsten Geschichte.
Stephanie Sonnenschein: Generationen verbinden durch Musiktheater
Stephanie Sonnenschein von den Bühnen Köln nahm uns mit in die Welt des Musiktheaters, in der sie Senioren/-innen mit Kinder im Vorschulalter zusammenbringt. Während der Corona-Pandemie initiierte sie das generationenübergreifende Projekt "unisono", um Menschen zu verbinden, die sich sonst nie begegnet wären. In erzählten Szenen führte sie uns in das Projekt ein:
Die erste Szene spielte in einem Veranstaltungssaal, wo Senioren/-innen gemeinsam mit Vorschulkindern musizierten. Trotz anfänglicher Scheu überwanden die Kinder ihre Distanz und traten in Kontakt mit den Heimbewohnern/-innen.
In der zweiten Szene warten die Kinder sechs Wochen später aufgeregt in der Kita auf ein weiteres Treffen. Sie hatten inzwischen zusammen mit den Senioren/-innen eine Oper aufgeführt, gemeinsam Lieder gelernt und Tänze entwickelt, die auch von den dementen Teilnehmern/-innen trotz ihrer Gedächtnisschwäche erinnert wurden.
In der dritten Szene lernten wir eine Gemeindeschwester kennen, die die Kinder auf das Projekt vorbereitet hatte. "Der Erfolg zeigt sich im persönlichen Erleben, wenn der verlangsamte Heinz sie fragt: 'Wann kommen die Kinder wieder?'", so die Schwester. Aber auch in der Anerkennung durch den AOK-Nachbarschaftspreis. Im nächsten Jahr ist die Gemeindeschwester wieder dabei, wenn das Projekt mit einer inklusiven Kita stattfindet. "Unisono" heißt "miteinander im Einklang sein" und genau dieses hat das gemeinsame Musizieren vollbracht.
"Schöne Geschichten machen aus Ohren Augen", bemerkte die Salonnière und führte aus, "diese Erzählung hat Bilder in uns hervorgerufen und gezeigt, wie man Menschen mit allen Sinnen ansprechen kann."
Manik Chander: Migration und kulturelle Integration
Manik Chander, Co-Gründerin von "my migrant mama", erzählte von ihren Erfahrungen als Kind indischer Einwanderer/-innen und der Herausforderung, in einem neuen Land Fuß zu fassen. 2014 traf sie Melissa, die mit einer internationalen Studiengruppe in Mumbai war und deren Familie von Peru nach Italien ausgewandert war. Gemeinsam reflektierten sie die Schwierigkeiten aber auch die Energie und Leistung ihrer Mütter, sich in fremden Ländern zurechtzufinden.
Manik und Melissa schrieben ein Buch, das die Geschichten von 11 migrantischen Müttern erzählt. Diese Mütter hatten von den Kindern oft nicht die Anerkennung erhalten, die ihnen aus heutiger Sicht zusteht. Stattdessen haben sie sich für ihre Mütter geschämt, wenn diese nicht den westlichen Normen entsprachen. Manik betonte die Wichtigkeit von Resilienz und die Notwendigkeit, Migration zu feiern. Sie tun das in Lesungen und generationenübergreifenden Events, um die auseinanderdriftenden Generationen zusammenzuführen.
Manik plädierte für Diversity Trainings in Unternehmen und für die Einstellung von Menschen mit Migrationshintergründen. Sie wären eine Bereicherung, denn interkulturelle Kompetenzen und Multi-Switching sind ihnen durch ihre Vita geläufig. Somit sind sie eine Bereicherung für jedes Unternehmen.
Uta fasste zusammen, was wir aus dieser Geschichte lernen können: "Unsere Gesellschaft wird immer bunter und Manik hat uns gezeigt, wie wichtig gegenseitige Wertschätzung ist. Mit ihrem Projekt macht sie migrantische Mütter sichtbar, würdigt deren Leistung und verbindet sie mit der nachfolgenden Generation."
Christina Junkermann: Perspektivwechsel in einem Geflüchteten-Lager
Christina Junkermann, leitet die Stiftung :do bei Edding/Legamaster und berichtete von ihren Erlebnissen im Erstaufnahmelager auf Lesbos. Dort lernte sie die harten Bedingungen kennen, unter denen die Geflüchteten leben: notdürftig in Zelten untergebracht, ohne Klimaanlage, mit nur einem Arzt vor Ort und mit langen Schlangen vor der Essensausgabe warten die Menschen darauf, dass es irgendwann für sie weitergeht. Sie nahm an einer Powersession für afghanische Flüchtlinge teil, die dazu diente, sie auf das Asylverfahren vorzubereiten und ihnen politische Hintergründe zu vermitteln.
Besonders bewegend war ihre Begegnung mit Lima, einem Mädchen, das auf ihren Asylbescheid wartete und als Übersetzerin half. Christina erlebte einen Perspektivwechsel, als Lima sie wie zuvor die anderen Teilnehmenden fragte: "Warum sollten wir dich nicht in die Türkei abschieben?". So aktiv in die Situation einer Asylbewerberin versetzt, konnte sie die bedrängte Lage der Befragten gut nachvollziehen.
Für Lima geht die Reise weiter. Wieder zuhause erfuhr Christina, dass Lima einen positiven Asylbescheid erhalten hat. Das Ziel ist noch unbekannt: "somewhere".
"Deine Geschichte hat uns tief beeindruckt", schloss die Salonnière an. "Wir spüren, wie tief dich diese Erfahrung berührt hat, die ja noch ganz frisch ist."
Raphael Karrasch: Unterstützung für junge Menschen
Die Arbeit mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund bildete die Brücke zur Geschichte von Raphael Karrasch, Managing Director, JOBLINGE gAG Ruhr.
Raphael, der selbst seine Karriere mit einem Hauptschulabschluss begann, berichtete davon, wie er mit dem Programm "Joblinge" Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit und ohne Migrationshintergrund durch gemeinnützige Arbeit Wertschätzung und Selbstbewusstsein vermittelt. Er sprach über seine Erfahrungen als Mitarbeiter der Arbeitsagentur und über die Herausforderung, die Jugendlichen im Übergangssystem zu erreichen und in Ausbildung oder Arbeit zu vermitteln.
Ziel der Joblinge ist es, die intrinsische Motivation der jungen Menschen zu wecken. Sie fühlen sich abgehängt, haben keine Vorbilder, bringen z. T. Fluchterfahrung mit und kennen das Bildungssystem nicht. Um in das Programm aufgenommen zu werden, müssen sie drei Tage gemeinnützig arbeiten, z. B. im Kindergarten. Sie haben das Gefühl, gebraucht zu werden und der Status als Teilstipendiat/-in verleiht der Maßnahme eine höhere Wertigkeit.
Raphael betonte, wie wichtig es ist, dass Jugendliche Vorbilder und Unterstützung durch erfahrene Erwachsene haben, um ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Ehrenamtliche Mentoren/-innen begleiten die Jugendlichen. Der Erfolg der Joblinge ist messbar und an den hohen Integrationszahlen des Projektes abzulesen.
Als Garant für den Erfolg hob die Salonniére Raphaels Authentizität hervor: "Mit deiner eigenen Geschichte zeigst du, wie wichtig es ist, authentisch zu sein. Junge Menschen brauchen Vorbilder, Wertschätzung und Unterstützung durch erfahrene Ältere."
Marianne Schweinesbein: Karriere und Altersdiskriminierung
Das Thema "Wertschätzung" war der Anker für die nächste Geschichte. Marianne Schweinesbein, aktive Ruheständlerin und Ambassador beim Netzwerk PANDA Ü45, erzählte von ihrer beeindruckenden Karriere, die vom Studium der Theaterwissenschaften über eine KFZ-Ausbildung bis hin zu einer Führungsposition in der Automobilindustrie reichte. Sie hat Feinwerktechnik studiert, ist Master of Business Administration und war 20 Jahre in der Automobilindustrie tätig, mit Auslandseinsätzen u. a. in China und Mexiko.
Trotz ihrer vielseitigen Qualifikationen und Erfahrungen wurde sie mit 65 Jahren aufgrund ihres Alters in den Ruhestand geschickt. Doch Marianne ließ sich nicht entmutigen. Sie fand über eine Personalvermittlung eine neue Anstellung bei der Deutschen Bahn und wurde zu einem Role Model für ältere Arbeitnehmerinnen.
Privat engagiert sie sich in der Gruppe "Ü45" bei PANDA, dem Women Leadership Network, das sich gegen Altersdiskriminierung einsetzt und Frauen bei der beruflichen Karriere unterstützt. Außerdem gibt sie ihre Erfahrungen als Frau in einem technischen Beruf in einem Karriere-Netzwerk für Ingenieurinnen weiter. Als Mutter von vier Kindern, die stets beruflich ambitioniert und tätig war, hat sie auch zum Thema Vereinbarkeit einiges zu sagen.
"An Mariannes Geschichte wird deutlich, wie wichtig es ist, sich von Hindernissen nicht von einer Karriere abhalten zu lassen. Sie zeigt uns", so Uta, „dass es eine Verschwendung wertvoller Ressourcen ist, Frauen ab einem gewissen Alter unsichtbar zu machen oder nicht mehr zu fördern."
Nachhaltige Wirkung dieser Geschichten
"Der Erzählsalon "#diversity – authentisch erzählt" war eine inspirierende Veranstaltung, die die Vielfalt menschlicher Erfahrungen beleuchtete und zeigte, wie wichtig es ist, Diversität zu fördern und zu feiern", so Susanne Sabisch-Schellhas.
Die Geschichten der sechs Erzählenden boten wertvolle Einblicke und riefen Empathie und Begeisterung bei den Zuhörenden hervor. Jede Geschichte war ein starkes Plädoyer für die Anerkennung und Unterstützung von Diversität in all ihren Facetten.
"Die Geschichten werden noch lange in uns nachwirken, uns Mut machen und uns inspirieren", mit diesen Worten schloss die Salonnière Uta Sadowski-Lehmann den Erzählsalon.
Alle Geschichten zur Nachhören und -sehen gibt es nachstehend auch als Video.