Datum: 11. November 2025
Ort: Bertelsmann Stiftung, Haus Berlin
Die demografische Entwicklung stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Angesichts des steigenden Fachkräftebedarfs rückt die Frage in den Fokus, wie das Potenzial älterer Beschäftigter besser genutzt werden kann. Das Fachforum zur Studie „Arbeit 60+ zwischen Paragrafen und Praxis“ beleuchtete rechtliche, betriebliche und kulturelle Hürden sowie mögliche Lösungsansätze für die Wieder- und Weiterbeschäftigung von Menschen im Rentenalter.
André Schleiter (Bertelsmann Stiftung) eröffnete das Fachforum mit einem klaren Appell: Die demografische Entwicklung sei nicht nur eine statistische Größe, sondern eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Gesellschaft. Er betonte, dass der steigende Fachkräftebedarf und die Alterung der Belegschaften ein Umdenken erfordern. Ältere Beschäftigte seien keine „Notlösung“, sondern eine wertvolle Ressource mit Erfahrung, Wissen und Stabilität. Schleiter machte deutlich, dass es nicht allein um rechtliche Fragen gehe, sondern um die strategische Ausrichtung von Unternehmen. Damit leitete er in die Diskussion über die bestehenden Hürden und die Chancen für einen Kulturwandel in der Arbeitswelt über.
Dr. Falko Daub (Pusch Wahlig Workplace Law) stellte die zentralen rechtlichen Hürden vor:
- KSchG und TzBfG: Besonders das Vorbeschäftigungsverbot und die Hinausschiebensvereinbarung erschweren flexible Lösungen.
- Unternehmen fordern mehr Rechtssicherheit und einfache Regelungen für die Beschäftigung nach Renteneintritt.
Als Autorin der Studie „Arbeit 60+ zwischen Paragrafen und Praxis“ stellte Lucie Stecker (ddn) die zentralen Ergebnisse vor, die im Auftrag der Bertelsmann Stiftung entstanden sind.
Kernaussagen der Studie:
- Komplexität der Rechtslage: Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht wird als intransparent wahrgenommen.
- Unternehmensperspektive: KMU fehlt oft juristische Expertise, größere Unternehmen sind besser aufgestellt.
- Wunsch nach Reformen: Aufhebung des Vorbeschäftigungsverbots, Entbürokratisierung und klare Leitlinien.
- Mentale Barrieren: Altersbilder beeinflussen Entscheidungen und tragen zu einer unterschätzten Leistungsfähigkeit Älterer bei.
Empfohlene Handlungsfelder:
- Politische Reformen: Vereinfachung des TzBfG, mehr Transparenz.
- Finanzielle Anreize: Steuerliche Erleichterungen, Modelle wie „Aktivrente“.
- Kultureller Wandel: Positive Altersbilder, Weiterbildung, flexible Arbeitszeitmodelle.
Podiumsdiskussion
Die Diskussion bestätigte die Ergebnisse der Studie und brachte weitere Perspektiven. Die teilnehmenden Unternehmen, die von Sebastian Mohr (Autobahn) und Jessica Schmitt (UGL Unternehmensgruppe) vertreten waren, äußerten hohe Wertschätzung für ältere Mitarbeitende und wollen sie beschäftigen, sehen aber die rechtliche Komplexität als Hemmnis. Dr. Falko Daub unterstrich erneut die rechtlichen Unsicherheiten und die Notwendigkeit klarer Regeln. Ralf Häsemeyer (BMAS) wies auf die Gründe für detaillierte Regelungen hin und betonte, dass der Handlungsspielraum begrenzt sei. Martina Schmeink (ddn) plädierte für Lösungsorientierung: „Wie können wir mit dem, was wir haben, bestmöglich umgehen, wenn sich die Gesetze nicht ändern?“ Der Kulturwandel wurde intensiv diskutiert: Ältere wollen arbeiten, Unternehmen wollen sie beschäftigen, entscheidend sind Sinnstiftung und Wertschätzung. Auch die anwesenden Unternehmensvertreter*innen hoben hervor, dass altersfreundliche Arbeitsbedingungen und flexible Modelle wichtig sind.
Fazit
Die Veranstaltung machte deutlich: Die Beschäftigung Älterer ist ein Schlüssel zur Bewältigung des Fachkräftemangels. Neben rechtlichen Anpassungen sind kulturelle Veränderungen und finanzielle Anreize entscheidend, um das Potenzial älterer Fachkräfte zu nutzen. Abschließend bot das Get-Together Gelegenheit, die Diskussionen zu vertiefen und neue Kontakte zu knüpfen.
ddn unterstützt Betriebe im Wandel
Das Deutsche Demographie Netzwerk e.V. (ddn) begleitet Unternehmen dabei, den demografischen Wandel aktiv zu gestalten. In Austauschformaten und Vernetzungsangeboten können Betriebe voneinander lernen, wie altersgerechte Arbeit gelingt und wie Erfahrung und Wissen älterer Beschäftigter als Zukunftsressource genutzt werden können.
Die vollständige Studie „Arbeit 60+ zwischen Paragrafen und Praxis – Ergebnisse einer Unternehmensbefragung zur Wieder- und Weiterbeschäftigung Älterer“ finden Sie hier.