Kompetenzeffekte der Digitalisierung und KI

Die fortschreitende Digitalisierung und die rasante Entwicklung Künstlicher Intelligenz verändern die Arbeitswelt in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Während Frau Prof. Dr. Jutta Rump in einem ersten Diskussionspapier die Beschäftigungseffekte dieser Transformation beleuchtet hat, richtet sie den Fokus in einem weiteren Beitrag nun auf die Kompetenzeffekte. In diesem Artikel stellt sie die zentralen Erkenntnisse ihres Papers vor und zeigt, welche Fähigkeiten künftig an Bedeutung gewinnen.

Kompetenzeffekte der Digitalisierung und KI

von Prof. Dr. Jutta Rump / Ludwigshafen, den 10.11.25

Die digitale Transformation verändert die Arbeitswelt tiefgreifend. Automatisierung, datenbasierte Entscheidungen und Künstliche Intelligenz (KI) prägen Tätigkeiten, Prozesse und Strukturen. Damit verändern sich auch die Anforderungen an Beschäftigte: Fachwissen allein genügt nicht mehr – gefragt ist ein Zusammenspiel aus digitalen, fachlichen, sozialen, methodischen und persönlichen Kompetenzen. Mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung der Kompetenzprofile lässt sich jedoch eine Reihe von Fähigkeiten identifizieren, deren Bedeutung im digitalen Wandel deutlich zunimmt.

1. Digitale (Anwendungs-)Kompetenz

Digitale Kompetenz wird zur neuen Basisqualifikation für alle Beschäftigten – jedoch in unterschiedlicher Tiefe. Ziel ist nicht, alle zu IT-Expertinnen und -Experten zu machen, sondern sie zu befähigen, digitale Technologien sicher, kritisch und gestaltend zu nutzen.
Entscheidend ist die Fähigkeit, digitale Systeme zu verstehen, ihre Grenzen zu erkennen und sie produktiv einzusetzen. Damit wird der Mensch vom reinen Nutzer zum Mitgestaltenden des digitalen Wandels.

2. Fachkompetenz im Zeitalter von KI

Trotz der wachsenden Leistungsfähigkeit von KI bleibt Fachwissen zentral. Nur wer sein Fach versteht, kann KI-generierte Ergebnisse kritisch bewerten, interpretieren und verantwortungsvoll einsetzen. Fachkompetenz umfasst heute auch metakognitive Aspekte – also das Wissen über die Logiken, Grenzen und Modelle des eigenen Fachgebiets. Diese „reflexive Fachkompetenz“ wird zum Schlüssel für den souveränen Umgang mit algorithmischen Systemen.

3. Verbalisierungs- und Strukturierungskompetenz

KI-Systeme können Texte schreiben, Inhalte strukturieren und visualisieren. Doch gerade diese Unterstützung birgt das Risiko einer „kognitiven Entwöhnung“: Wer sich zu sehr auf KI verlässt, verliert die Fähigkeit, eigene Gedanken zu ordnen, zu formulieren und zu begründen. Verbalisierungs-, Visualisierungs- und Strukturierungskompetenz bleiben deshalb unverzichtbar – sie sichern die geistige Eigenständigkeit und die Fähigkeit, KI-Ergebnisse kritisch zu reflektieren.

4. Lernfähigkeit im Spannungsfeld exponentieller KI-Entwicklung

KI lernt exponentiell – der Mensch linear. Diese Dynamik erfordert eine neue Lernkultur: kontinuierlich, vernetzt und kollaborativ. Individuelles Lernen stößt an Grenzen; kollektives Lernen in Teams und Netzwerken dagegen erweitert Wissen und beschleunigt Anpassungsfähigkeit. Die Zukunft der Kompetenzentwicklung liegt im „Wir-Lernen“ – im geteilten Wissen und gemeinsamen Denken.

5. Soziale Kompetenz und Empathie

Empathie ist die zentrale Gegenkraft zur Technologisierung. In einer digital vernetzten Arbeitswelt schafft sie Vertrauen, Zusammenhalt und psychologische Sicherheit.
Führungskräfte benötigen Empathie, um Wandel emotional zu begleiten und Orientierung zu geben. Auch im Kundenkontakt bleibt Empathie das entscheidende Differenzierungsmerkmal: Sie verwandelt Information in Beziehung. Nicht zuletzt fördert Empathie auch die Zusammenarbeit im Team.

6. Kreativität – Menschlich und maschinell

Kreativität entsteht durch die Verbindung von menschlicher Intuition und maschineller Datenintelligenz. KI kann Muster erkennen und neue Kombinationen vorschlagen, doch erst der Mensch verleiht Ideen Bedeutung, Kontext und Sinn. So entsteht eine neue Form von Co-Kreativität – eine Symbiose aus analytischer und intuitiver Intelligenz.

7. Optimismus und Frustrationstoleranz

In einer sich permanent wandelnden Arbeitswelt werden Frustrationstoleranz und Optimismus zu entscheidenden Zukunftsressourcen. Sie helfen, mit Unsicherheit, Komplexität und Rückschlägen umzugehen. Beide Haltungen fördern Lernbereitschaft, Resilienz und Selbstwirksamkeit – und sind damit mentale Voraussetzungen für Beschäftigungsfähigkeit im Wandel.

Nicht zuletzt: Gefahr eines neuen Digital Divide

Die steigenden Kompetenzanforderungen führen zu neuen Ungleichheiten. Nicht alle verfügen über dieselben Lernvoraussetzungen, Ressourcen oder Zugänge zu Weiterentwicklung. Die neue digitale Kluft verläuft nicht zwischen „online“ und „offline“, sondern zwischen jenen, die digitale Technologien kritisch und kreativ nutzen können, und jenen, die den Anschluss verlieren. Die zentrale Aufgabe lautet daher: Lern- und Entwicklungschancen differenziert, inklusiv und für alle zugänglich gestalten.

Prof. Dr. Jutta Rump

Prof. Dr. Jutta Rump ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Darüber hinaus ist sie Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability IBE in Ludwigshafen – eine wissenschaftliche Einrichtung der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und Forschungsschwerpunkt des Landes Rheinland-Pfalz.